Revolutionen – Von der Kunst des Aufbegehrens
Vorwärts. Was für ein Wort. Kräftig genug, um das Ausrufezeichen stolz zurückzuweisen, das ihm allenthalben angedichtet wird. Ein Wort fürs Niemandsland. Es haust zwischen den Zeiten. Alles ist gesagt worden an diesem Punkt. Gleich bricht der Sturm los, entfesselt durch ein einziges Wort, das die zum Zerreißen gespannte Stille erlöst: Vorwärts.
Und wir wissen, was herauskommt, wenn Menschen davon träumen, mit ein paar Schuss Munition und einem Meer von Fahnen den Eingang ins gesellschaftliche Paradies zu erzwingen. Uns graust. Aber andererseits…
Hat denn ein Mensch, der nie den Drang zur Rebellion in sich verspürt hat, überhaupt gelebt? Wo stünde die Gesellschaft, wenn sie nicht ständig neu erfunden worden wäre? Was wäre die Kirche ohne den Eigensinn der Mönche, die Wissenschaft ohne Querköpfe, Literatur ohne den Stachel der Widerborstigkeit? Man stelle sich vor: Eine Symphonie, die von der ersten bis zur letzten Note vollkommen vorhersehbar bleibt, bar jeder Überraschung. Würde das Festspielpublikum den Komponisten nicht mit Fächern und Glaceehandschuhen aus dem Konzerthaus ohrfeigen? (Man ist ja selten passend gerüstet, wenn plötzlich Revolte ansteht statt Premierenfeier.)
Nein, der Mensch ist zum Umschwung berufen. Ein Glück nur, dass manche Revolte im Keim erstickt. Sie denken gleich an Blut und Tod? So muss das nicht sein. Als in den Wirren von 1918 in Wien die „Rote Garde“ unter Führung von Egon Erwin Kisch das Redaktionsgebäude der „Neuen Freien Presse“ stürmt, tritt ihnen im Stiegenhaus der Redakteur Paul Kisch entgegen. Das kurze Wortgefecht der Brüder quittiert er mit den Sätzen: „Gut. Ich weiche der Gewalt. Aber eins sag ich Dir: Ich schreib’s noch heute der Mama.“ Da suchte sich die Rote Garde umgehend eine andere Zeitung.