
Erben
Erben ist ein schwieriges Geschäft. Es hat so was Morbides. Immer muss erst einer weichen, bevor ein anderer endlich zu Potte kommt. Und das kann dauern. Erben ernährt die Eichhörnchen meist mühselig. Weil es die Neider weckt, geschieht es im Verborgenen. Verschwörerisch vorgetragen, malen drei Wörter ein ganzes Sittengemälde an die Wand: „Der hat geerbt.“ Mehr braucht man nicht zu wissen.
Und dann? Was geschieht mit dem Ererbten? Das ist schon schwieriger. Natürlich wäre Verprassen eine Möglichkeit. Geschieht auch oft. Aber Erben ist ja so viel mehr als eine genealogische Selbstverständlichkeit. Erben verpflichtet. Es ist pures Glück, in einer Familie groß geworden zu sein, in der Talente, Liebe, Wohlstand vererbt werden. Stößt dieses Glück auf Dankbarkeit, ist die soziale Verantwortung nicht fern.
Wir alle sind Erben, auch wenn sich Tante Frieda noch bester Gesundheit erfreut. Wir erhalten und geben Erfahrungen weiter und Wissen, Eigenschaften und Eigentümlichkeiten. „Ma erbt nit bloß Böda“, schmunzelt der Volksmund, wenn Eltern und Kinder mehr Ähnlichkeiten aufweisen, als sie wahrhaben wollen.
Letztendlich sind wir alle Teil einer großen gemeinsamen Erzählung. Und wieder führt die gedankenlose Übernahme alles Ererbten schnurstracks ins Verderben. Denn manche Erbstücke klingen seltsam dissonant. Nicht alles, was uns anvertraut wird, sollten wir behalten. Manches Erbe wiegt schwer. Es zieht uns hinab in die Untiefen der Menschheitsgeschichte. Aber selbst dieses Erbe bereichert, indem es uns lehrt, wovon wir die Finger lassen müssen.
Im biblischen Sinn erben die Menschen Gottes Verheißung: Alles kommt zu einem guten Schluss. Dass dieses Wort selbst Auschwitz überlebt hat, ist ein starkes Indiz dafür, dass der Mensch doch nicht das letzte Wort hat. Oder dem Semesterthema angemessen formuliert: Der allerletzte Wille ist unsere Sache nicht. Und das ist wohl auch ganz gut so.