Frühjahrs- / Sommersemester 2018
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05. Mär - 04. Jun 2018

Die Sprachen, die wir sprechen

  Literaturempfehlungen zum Semester

Wir haben schon so oft miteinander gesprochen – wäre es da nicht hoch an der Zeit, wenn wir uns über die Sprache an sich unterhielten? Oder präziser noch: Über die Fähigkeit des Menschen, mit Hilfe von bloßen Worten eine Wirklichkeit zu erschaffen? Denn unsere Worte haben schöpferische Kraft, und leider nicht nur die geistreichen.

Das unterscheidet den Menschen von anderen Lebewesen, seit die kognitive Revolution vor etwa 70.000 Jahren die Geschichte überhaupt in Gang brachte. Natürlich sind Fauna und Flora nicht stumm. Wale singen. Affen brüllen. Bienen tanzen ihr Wissen über Futterquellen vor. Selbst Bäume sind mit Wurzeln und Zweigen erstaunlich beredt.

Aber keine Sprache der Welt ist so vielfältig, so wandelbar wie die des Menschen. Er kann sogar über Dinge sprechen, die es gar nicht gibt. Er gebiert Mythen. Selbst Götter blieben unausgesprochen nur lebloser Tand. Erst das Wort haucht allem Leben ein. Dieses Wort, das im Anfang schon war.

Der Johannesprolog zeichnet eines der wohl eindrucksvollsten Bilder der Bibel: Gott spricht sich selber aus. Er ist das geheimnisvolle Miteinander und Gegenüber, das ewige Gespräch. Daraus ist alles geworden. Ein Gedanke – schön genug, um sich darin zur Ruhe zu betten.

Doch wie das Menschengeschlecht taugt auch seine Sprache zum ganz Guten wie zum Entsetzlichen. In Tagen des fahrlässigen Umgangs mit der Wirklichkeit tönt uns Ludwig Wittgensteins Mahnung im Ohr: Wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen. Sprachlos im Angesicht von Staatenlenkern, die sich lauthals mit der Größe ihres Atomknopfs zu imponieren suchen, tritt uns der Wert der Stille wieder deutlich vor Augen. Aber das wäre dann wohl ein anderes Semester.