Herbst- / Wintersemester 2016
12. Sep - 21. Nov 2016

Vom Ursprung zur Neuordnung Europas

Wenn Stefan Zweig die Welt von gestern auf die handliche Formel „das goldene Zeitalter der Sicherheit“ brachte, möchte man hier und jetzt das krasse Gegenteil behaupt- en. Alles schien Zweig vor 1914 „auf Dauer gegründet“ und der Staat selbst„oberster Garant dafür“. Und heute?

Nachdem Europa im Gefolge zweier rasender Weltkriege fast 70 Jahre Frieden beschieden waren, gebärdet sich die Welt erneut wie toll. Zerbricht Europa, wie wir es kannten? Kehren wir zur begrenzten Sicht der Nationalstaaterei zurück? Die gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Bruchlinien zwischen Nord und Süd, Ost und West stehen uns überdeutlich vor Augen. Wellen der Zuwanderung malen herausfordernd das Wort vom Teilen an die Wand. Werden wir am Ende gerade gewogen und für zu leicht befunden? „Reich und zugleich schwach zu sein ist eine gefährliche Kombination“, warnt der US-amerikanische Politologe und Publizist George Friedman, und er meint es keineswegs spöttisch. Die Zukunftsprognosen für Europa driften weit auseinander. Aber darin sind sich alle einig, dass es so nicht weitergehen kann.

Dies scheint uns der geeignete Moment zu sein, um innezuhalten. Denn Schnellschüsse taugen nicht. Sie vergrößern das Chaos allenthalben. Nur wer seinen Stand- punkt kennt und innehat, sollte den nächsten Schritt wagen, sonst strauchelt er. Wir wollen uns Europa diesen Herbst vergegenwärtigen. Wagen wir noch einmal den großartigen Gedanken inmitten einer erodierenden Gegenwart. Suchen wir nach Einheit in der Vielfalt. Nehmen wir dabei Irritationen in Kauf. Denn es lohnt sich. „Wer sich befreunden will, muss sich zuerst befremden lassen“, ermuntert uns Claus Leggewie. Dies wird ein spannendes Semester, und er ist Teil davon. Und, ach ja: Seien Sie gefasst, auf dieser Europäischen Reise nicht zuletzt auch sich selbst zu begegnen.