Das Wissen der Literatur: Lesen
Soviel lehrt die Literatur: Lesen ist nicht nur Information, Dechiffrierung von Schrift, Decodierung von Weltwissen. Im Lesen machen wir uns (selbst) eine Vorstellung davon, wie wir sein können. Adalbert Stifter hat das in einem späten Text zu seinem eigenen Leben so gesagt:
„Das Leben berührt uns so innig und hold, daß uns Alles, darin wir es zu entdeken vermögen, verwandt, und Alles, darin wir es nicht sehen können, fremd ist, daß wir seine Zeichen in Moosen, Kräutern, Bäumen, Thieren liebreich verfolgen, daß wir sie in der Geschichte des menschlichen Geschlechtes und in den Darstellungen einzelner Menschen begierig in uns aufnehmen, daß wir Leben in unseren Künsten dichten, und daß wir uns selber ohne Leben gar nicht zu denken vermögen.“
Die Vorlesung fragt nach dem Wie eines literarischen Lesens, das Welt, Beziehung und Person zusammenbuchstabieren kann, notwendig, kritisch, ja einzigartig.