Jeder hat schon mal von ihnen gehört oder ein YouTube Video über sie gesehen. Gemeint sind Menschen die eine Tätigkeit wie zum Beispiel eine Sportart oder Wissenschaft mit solcher Effizienz und Eifer verrichten, dass es für viele Menschen undenkbar ist so etwas zu vollführen. Welchen Grund haben sie sich selbst zu solchen Leistungen zu pushen und dabei über humane Grenzen zu gehen, um das scheinbar Unmögliche zu schaffen?
Für viele hat es etwas mit optimistischem Denken zu tun und gleicherweise auch wieder nicht. Nur an das Ziel zu denken lässt einen vom Weg abkommen. Es hat mehr mit der Psyche des Menschen zu tun. Ein Individuum hat immer ein Ziel im Leben, wie klein es auch scheinen mag. Freude beim Gelingen jenes Zieles und Frustration beim Scheitern. Aber irgendwann erreicht man ein Plateau des Gelingens, das unbezwingbar scheint. Ab diesen Punkt sehen die meisten ihr Lebensziel erreicht und bleiben dort bis zu ihrem Tod, in der Meinung mit dem Wichtigsten abgeschlossen zu haben. Dies begründet sich aus der Angst vorm Herabsteigen und dem Unbekannten. Schließlich ist es ein Risiko, sich vom bekannten Glück ins Ungewisse zu wagen, um sein besseres Glück zu finden. Diese Abschreckung wird verstärkt durch das Scheitern einiger Individuen beim Versuchen eben jenes. Es gleicht einem Exempel einer höheren Macht zufrieden zu sein mit dem was man hat. Manchen mag das einleuchtend klingen und als gesunder Menschenverstand vorkommen. Doch die größten Fortschritte in der Menschheitsgeschichte sind aus Risiken entstanden. Schließlich war es früher nicht selbstverständlich, dass man mithilfe eines Apparates in die Lüfte steigen und auch noch lenken konnte und wenn man so etwas vorschlug, reservierte man sich selbst einen Platz in der nächstgelegenen Nervenanstalt. Doch dies haben die Brüder Wright geschafft. Diese Individuen haben Großartiges geleistet. Doch was ließ sie diese Angst überwinden? Welche geheimnisvolle Pille war daran schuld?
Eine Pille wird so etwas nicht können, da es eine Sache des Verstandes und der menschlichen Neugier ist. Gemeint ist der Enthusiasmus. Die Hingabe zu der Sache, die man liebt, sei es Sport, Naturwissenschaft oder die Philosophie. Ohne die Liebe zum Tun wird man nur eben jenes Plateau erreichen und niemals die Berge dahinter erblicken. Denn Leidenschaft ist nicht wie eine Lampe, die einem den Weg erleuchtet, sondern mehr das Ziel. Dahin zu kommen ist jedem selbst zu überlassen. Das einzig wahre Ende ist nun mal der Tod und nicht bereits die Pension. Schließlich schaltet unser Verstand dann nicht einfach ab, wenn man jetzt utopischer Weise über die Chance einer Demenz hinwegsieht. Doch wie soll man etwas Unmögliches, wie einen Berg im Dunkeln zu besteigen, schaffen? Wie schon weiter oben gesagt, ist Enthusiasmus nicht eine Erhellung des Weges, aber er nimmt einem die Angst vor dem Ungewissen. Und Angst lähmt wie schwere Fesseln und der Schlüssel zu den Fesseln ist Hingabe. Wer Angst hat zu fallen, kann niemals hoch oben sein. Außerdem ist für viele etwas nur lohnend, wenn die Effekte sofort wirken. Vielen fehlt die Geduld zu erkennen, dass man zuerst unten anfangen muss, um ganz nach oben zu kommen.
Vielleicht fragen sich jetzt einige was das denn mit Philosophie zu tun hat. Aber geht es bei der Philosophie eben nicht darum zu fragen was sein könnte, was ist und wie es ist? Eine Frage, die ein Konzept aufstellt und eben jenes hinterfragt? Wenn man sich nur auf das Jetzige konzentriert, wird man nicht weiterkommen, da es an Planung fehlt. Aber sollte man sich nur auf das Zukünftige und dessen Möglichkeiten fokussieren, wird man eben diese nie erreichen können. Die Planung ist die Vorgabe des Weges und es liegt an einem selbst, diesen zu beschreiten und auch den Plan kurzfristig zu ändern oder gar zu improvisieren. Und nicht jeder Weg ist gerade und klar und erst recht geht es nicht immer hoch. Manchmal muss man eben das Tal durchschreiten, um einen Berg zu erreichen. Hinter jedem Gedanken stehen eine Philosophie und gewisse Prinzipien. Zu behaupten, dass ein Lebensziel dumm oder sogar irrational ist, ist ein Paradoxon in sich selbst, da man ja eine subjektive Ansicht nicht mit einer subjektiven Ansicht widerlegen kann. Schließlich weiß man ja nicht selbst, ob es möglich ist, da man dies nicht selbst versucht oder getan hat. Und selbst wenn, ist jeder Mensch so verschieden, dass es, aufgrund seiner eigenen persönlichen Erfahrungen eine allgemein gültige Regel zu machen, eben erst irrational ist. Aus empirischen Beobachtungen induktiv eine Konklusion abzuleiten ist nicht verlässlich genug, um etwas zu verbieten oder nicht zu versuchen. Schließlich muss jeder für sich selbst entscheiden, was für ihn/sie das Risiko wert ist.
Was ist das Gute am Enthusiasmus? Und wieso hat es nicht jeder? Leidenschaft ist nicht etwas, das einfach gemacht werden kann, oder eingekauft. Denn jeder hat sie, muss sie aber nur noch finden. Jeder Mensch kann irgendetwas, mag es noch so klein oder unbedeutend scheinen. Und irgendetwas kann man auch gut und diese Tätigkeit kann einen mit Liebe und Inbrunst auch erfüllen und dazu bringen, besser darin zu werden. Das Gefühl etwas erreicht zu haben was einem Spaß oder eben wahre Freude bereitet, kann zu einem temporären Glücksgefühl führen. Und da wir eben von Natur aus glückssüchtig sind, werden wir noch mehr erreichen wollen. Das Problem damit ist nun, dass Menschen nun nicht mehr die Leidenschaft bei sich selbst suchen, nämlich durch einseitige Darstellung von Leben anderer, weshalb es sie nicht wirklich erfüllen wird. Nur weil es eine andere Person glücklich macht, muss das nicht auf einen selbst zutreffen. Und wer seine Leidenschaft bei jemand anderem sucht und nicht bei sich selbst, wird auch nicht sein individuelles Glück finden, sondern vielmehr das von anderen. Schließlich weiß man nicht, was diese Person für Rückschläge erlebt hatte und kann sich nur von der Oberfläche ein Bild machen, das definitiv nicht 100-prozentig zu einem passen kann, weil das schlichtweg unmöglich ist. Schließlich ist jeder Mensch anders und es gibt keine Kopie wie von einem Drucker.
Heutzutage wird das auch oft missbraucht, da in Werbungen das Glücklichsein als Köder benutzt wird und die hungrigen Fische sind nun mal die Unglücklichen. Deswegen sind Werbungen eigentlich unmoralisch, da sie den Profit über das menschliche Glücksbefinden stellen und einen dazu manipulieren etwas zu kaufen, was man nicht braucht und eigentlich auch nicht will. Viele werden jetzt argumentieren, dass man selbst schuld daran sei, wenn man sich manipulieren lässt. Doch wir werden sehr oft und unbewusst manipuliert. Gewisse Reize bringen gewisse Reaktionen in einem auf. Psychologisch gibt es viele Möglichkeiten einen in die Irre zu führen. Jemand der nicht die Geduld aufbringen kann, sich sein eigenes Glück zu finden mit Hilfe seiner Leidenschaft, wird womöglich versuchen eine Abkürzung zu nehmen. Und wenn man diese Lage ausnutzt, ist es nicht allzu schwer ein verlockendes Angebot zu machen, das aber kein bisschen hilft.
Doch so wie alles im Leben hat auch der Enthusiasmus seine Schattenseiten. Da die Hingabe zu einer Tätigkeit einen weiterbringen kann, kann man sich ebenso in der Leidenschaft verlieren und damit auch sein Individuum. Denn wie Marx schon sagte:
„In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werkzeugs, in der Fabrik dient er der Maschine.“ – Marx: Das Kapital MEW 23: 445
Für manchen mag das Zitat aus dem Kontext gerissen sein, aber ich finde es ist eine verständliche Analogie zu dem Thema. Wenn wir die Glückfindung industrialisieren wollen, werden wir es recht nicht finden, sondern vielmehr unsere Identität verlieren und nur ein
Sklave unserer „Leidenschaft“ werden, die ja mittlerweile keine richtige mehr ist. Schließlich dient unser Enthusiasmus dazu, uns zu unserem Ziel, also unserem Glück, zu bringen. Und wer leidenschaftlich eine Tätigkeit verrichtet, nur der Leidenschaft wegen, hat wohl das Konzept nicht verstanden. Eine Hingabe zu etwas, ohne ein Ziel vor Augen zu haben, lässt einen zu einem Gehetzten werden. Man konzentriert sich nur noch auf das Besteigen des Berges selbst, statt die Aussicht zu genießen, für die man gekommen ist. Was auch in einer kapitalistischen Welt, die wir heute haben, schnell dazu führen kann, ein Ausgenutzter zu werden und obendrein auch noch damit seine Individualität zu verlieren. Sein/Ihr Leben wird gemessen und nach Zahlen bewertet und die Jury ist die einzige Partei dabei, die den wahren Nutzen daraus zieht. Hinter Begriffen wie „Leidenschaft“ und „Hingabe“ versteckt sich bloß die Absicht, mehr Effizienz und den damit verbundenen Profit für den Konzern rauszuholen. Das ist eine traurige aber wahre Parallele von diesem Essay zu der heutigen Wirtschaft.
Abschließend würde ich behaupten, dass der Enthusiasmus neue Grenzen öffnet, aber auch zur Besessenheit werden kann. Wie Paracelsus schon sagte:
„Die Dosis macht das Gift“.
– Septem Defensiones 1538. Werke Bd. 2, Darmstadt 1965, S. 510.
Doch wird einem Enthusiasmus das Leben nicht vereinfachen, sondern bloß neue Möglichkeiten eröffnen, die vorher nicht erkennbar waren. Ein Schlüssel öffnet nur die Tür, aber man muss selbst hindurchgehen.
Magomed-Rasul Kudusov
BG Blumenstraße, 6B