Liebe Freundinnen und Freunde des Montagsforums,
Es ist Zeit für ein Geständnis und – damit verbunden – eine kleine Geschichte:
Rund 40 Jahre ist es her, da entsetzte mich mein Philosophieprofessor am BORG Lauterach mit folgender Ankündigung:
„Es ist hoch an der Zeit die Barnay aus ihrem philosophischen Dauerschlaf zu wecken.“
Im Juni war das, in der 7. Klasse kurz vor Notenschluss, also zu einem Zeitpunkt zu dem ich mich schon im baldigen Besitz eines Zeugnisses wähnte, das mir einen geruhsamen, weil fünferlosen, Sommer versprach. Der war nun in höchster Gefahr.
Das mit dem „Dauerschlaf“ war außerdem ungerecht. Tatsächlich habe ich mich schon damals in einer Fertigkeit geübt, die ich an Ninjas maßlos bewundere. Diese japanischen Meister der Kampfkunst verschmelzen mit dem Hintergrund. Sie tun das, um von Feinden nicht entdeckt zu werden.
In meinem Fall waren es keine lebensbedrohlichen aber doch ungemütlichen Situationen, denen ich so auszukommen suchte. Etwa der Blick auf mich aus den Augen der Professoren in Unterrichtsgegenständen für die sich mein Interesse in sehr überschaubaren Grenzen hielt. Dieser Blick war, wie das oben angeführte Beispiel zeigt, leider meistens mit einer Frage zum aktuellen Stoff verbunden. Die wiederum hatte eine meist wenig zufriedenstellenden Antwort meinerseits zur Folge und beides zusammen ergab ein Mitarbeitsminus. Das galt es zu verhindern, also übte ich mich darin, mit der Rückwand des Klassenzimmers eins und damit unsichtbar zu werden. Das gelang mir erstaunlich oft, aber leider nicht immer was darauf zurückzuführen ist, dass ich mir diese Ninja-Fähigkeit im Selbststudium angeeignet habe.
Philosophie, das ist das Geständnis, gehörte zu den Schulstunden in denen ich mich im unsichtbar Sein übte und das ist NICHT meinem Professor anzulasten. Lothar Rubner hieß er. Bitte grüßen Sie ihn herzlich von mir falls Sie ihn kennen. Ich mochte ihn sehr, aber mit Philosophie konnte ich damals einfach nichts anfangen und das hat sich bedauerlicher Weise in den folgenden 40 Jahren nicht wesentlich geändert. In diese Wissenschaft muss man richtig eintauchen, um zu der Weisheit und dem Wissen zu gelangen, mit dem uns Thomas Matt all vierzehntägig zutiefst beeindruckt. Vielleicht öffnet er sich uns und erzählt uns, wer oder was sein Interesse an der Philosophie geweckt hat.
Im Zuge meines Studiums wurde ich mit einer pädagogischen Idee konfrontiert, die mich begeistert hat: wie wäre es denn, wenn wir Kindern ein Wissens-Gutschein-Heft auf ihren Weg mitgäben? Wann immer sie sich eines Fachgebietes intensiver anzunähern wünschten, böten wir ihnen dazu die Möglichkeit.
War´s Rousseau der diese Idee hatte, oder Pestalozzi? Vermutlich eher Letzterer und bevor Sie mich in einen Disput über seine und Rousseaus Erziehungsphilosophie verwickeln, sag ich Ihnen gleich, dass bei beiden sehr viel Unsinniges zu lesen ist, das ist mir schon klar. Aber die Idee mit den Gutscheinen, die hat was. Markus Hengstschläger, der ja schon zwei Mal beim Montagsforum zu erleben war, ortet im Schulsystem ähnliche Defizite wie ich.
Eine umfassende humanistische Bildung zu erhalten ist unbestritten erstrebenswert, aber was macht man mit einem jungen Menschen (wie ich einer war), der für Musik, Deutsch und Fremdsprachen brennt und Nachhilfestunden in Mathematik nehmen muss, um das Klassenziel und die Matura erreichen zu können, ohne die das ersehnte Studium nicht möglich ist?
Musik- und Tanzerziehung habe ich studiert, dafür braucht man (Achtung Sarkasmus): echt dringend Differential- und Infinitesimalrechnungen und all das Zeug, das mir tagelang meine Zeit und nächtelang meinen Schlaf geraubt hat, Jahr für Jahr. Auch da sind meine ehemaligen Lehrer unschuldig und ich verbeuge mich an dieser Stelle vor Helga Gstach (leider posthum) und Norbert Kolb, die beide nie die Geduld mit mir verloren haben.
Ich hätte trotzdem lieber mehr gelesen, Klavier geübt und ab der 10. Schulstufe statt Mathematik Italienisch gelernt.
Apropos Italien: beim – von Thomas Matt im letzten MONTAGSIMPULS – gesuchten italienischen Dichter, der sich für Diogenes und Sokrates einen Ort am Rande der Hölle ausgedacht hat, wo es nicht ganz so wehtut, handelt es sich um Dante Alighieri. Im September jährt sich sein Todestag zum 700. Mal.
Sehen Sie, das ist neben vielem anderen das Beruhigende und Beeindruckende am Team des Montagsforums: die Damen und Herren, die bei uns im Vorstand und im Beirat tätig sind, sind in den unterschiedlichsten Wissensgebieten firm. Da wird viel gelesen, recherchiert und diskutiert und deswegen können wir Ihnen, wenn wir dann wieder dürfen, diese Gutscheine (= Vorträge und Diskussionen) anbieten, mit deren Hilfe wir alle unser Wissen erweitern können.
Fehlt noch der Buchtipp und das Rätsel und Sie werden sich nach meiner Einführung nicht darüber wundern, dass beides nicht aus dem Bereich der Philosophie stammt.
Gesucht ist ein Musiker dessen Vorlesungen zum Thema Aufführungspraxis am Mozarteum in Salzburg fulminant waren. 1929 wurde er geboren, seine musikalische Laufbahn begann er als Cellist bei den Wiener Symphonikern. Nach 17 Jahren im Orchester entschloss er sich, seine musikalischen Vorstellungen VOR den Orchestern umzusetzen und nicht mehr in der Cellogruppe darunter zu leiden, dass sie sehr oft in diametralem Gegensatz zu dem standen, was die Dirigenten am Pult der Wiener Symphoniker vom Orchester einforderten.
Er gründete ein Originalklangensemble, das dank ihm weltberühmt wurde, er hat aber natürlich auch sämtliche Weltklasseorchester dirigiert. 2001 und 2003 etwa die Wiener Philharmoniker im Neujahrskonzert.
Der Gesuchte verfügte über eine ungemein bildreiche Sprache, mit der er den Musiker*innen seine musikalischen Wunschvorstellungen vermittelte.
Wem außer ihm hätten folgende Vergleiche einfallen können:
Bach: Johannespassion, der Chor singt: „Wir haben ein Gesetz…“ und der Dirigent sagt in der Probe: „Das muss klingen wie auf einem Passamt, man muss die Ärmelschoner hören…“.
Monteverdi: Marienvesper, „Süditalien…..singen Sie das mit Fischgeruch in der Nase…“
Und so weiter. Diese Zitate entstammen einem Buch, das ein Quell der Heiterkeit und des Staunens ist und sein Titel ist derzeit mein Lebensmotto:
„Unmöglichkeiten sind die schönsten Möglichkeiten.“
Also freuen wir uns auf die Möglichkeiten, akzeptieren wir so gelassen wie machbar die Unmöglichkeiten, lassen wir manchmal den Frust ab (im Wald – allein), bleiben wir zuversichtlich und gesund und genießen alles was auch jetzt Freude macht. Davon gibt es nämlich noch immer eine ganze Menge!
Mit herzlichen Grüßen
Bettina Barnay
Buchtipp: „Unmöglichkeiten sind die schönsten Möglichkeiten“
Aufgezeichnet von Sabine M. Gruber, erschienen im Residenzverlag