Liebe Freundinnen und Freunde des Montagsforums,
Man möchte ja Kind sein in diesen Tagen, den Schnee mit den bloßen Händen auffangen, die Flocken im Mund zergehen lassen, sich ins weiche Weiß werfen und solange mit Armen und Beinen wacheln, bis ein Engel entstanden ist, quasi ein Schneekeks und wir sind die Form.
„Dieses Jahr hat noch ganz schön zu tun, wenn es unsere Sehnsüchte erfüllen will.“ Das hat Thomas Matt in seinem letzten Montagsimpuls geschrieben. Eine meiner Sehnsüchte hat es schon erfüllt das Jahr: die nach einem perfekten Wintertag. Gut ja, in den Nachrichten wurden uns natürlich postwendend die negativen Seiten der weißen Pracht aufgezeigt: „Autofahrer vom Wintereinbruch überrascht“ war des Öfteren zu lesen und man fragt sich, warum sich Autofahrer*innen im JÄNNER, nach den vorangegangenen Warnungen der Meteorologen und in unseren Breitengraden „vom Schnee überrascht“ fühlen können.
Pinguine in freier Wildbahn würden mich in Vorarlberg überraschen, Schneefall im Winter eher nicht.
Apropos Pinguine: Kennen Sie das Buch „Am Südpol, denkt man, ist es heiß“? Elke Heidenreich hat den Text geschrieben, Reime sind es von hinreißendem Charme. Quint Buchholz zeichnet für die Illustrationen verantwortlich. Wunderschöne Bilder von Pinguinen, die am Südpol auf die Ankunft des Opernschiffs warten. Darauf: die drei Tenöre (ja, das Buch ist schon ein bisschen älter), die den Pinguinen und den Leserinnen und Lesern des Buches die Oper „La Traviata“ näherbringen. Nie habe ich eine trefflichere Zusammenfassung des Inhalts dieser Oper gelesen als bei Elke Heidenreich. Erstaunlicherweise lassen sich Kinder fast jeder Altersstufe von der Geschichte verzaubern, wenn man sie ihnen mit der gebotenen Hingabe vorliest.
Pinguine nehme ich mir in Zeiten wie diesen gerne zum Vorbild. Sie zeichnen sich durch besonderes Durchhaltevermögen und eine damit verbundene kluge Strategie aus: Wenn es gar zu kalt ist rücken sie zusammen. Wir tun das ja auch, jetzt gerade, wir rücken zusammen. Zwar nicht geographisch und physisch, das dürfen und sollen wir auch nicht, aber emotional.
Wir schreiben per WhatsApp (inzwischen auch und immer mehr auf Signal) liebe und/oder lustige Botschaften, wir verschicken Fotos von schönen Momentaufnahmen, wir teilen den Menschen die wir gernhaben aber nicht besuchen dürfen mit, dass wir an sie denken. Wir telefonieren mit ihnen.
Ein Telefonat eröffnete mir vergangene Woche die Schattenseiten des Winters, wer an schneereichen Tagen rund ums Haus Schnee schaufeln muss, wer trotz der Straßenverhältnisse raus muss aus der Komfortzone, wird meine kindliche Freude am „Winter wie früher“ mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen. Wer ausgerutscht und sich verletzt hat, flucht zurecht und bei all denen bitte ich um Verständnis dafür, dass ich den Blick in den tief verschneiten Wald vor meinem Wohnzimmerfenster trotzdem beglückend finde.
Thomas Matt empfahl uns ja auch den Blick auf das Schöne und Bejahenswerte. Da ist Subjektivität erlaubt. Und die wiederum, die Subjektivität, bringt mich noch zu einer Frage an Sie die aus der Tatsache resultiert, dass ich die ehrenvolle Aufgabe hatte, in das Freundebuch meines jüngsten Enkels zu schreiben.
„Wer ist dein Held?“ wurde da gefragt.
Einmal ganz abgesehen davon, dass ich es im 21. Jahrhundert ein wenig befremdlich finde, dass hier nicht gegendert wird, habe ich Stunden damit verbracht über dieses Thema nachzudenken.
Zweifellos sind alle Menschen Held*innen, die ihre kranken Angehörigen, trotz der damit verbundenen Herausforderungen und Schwierigkeiten, liebevoll zuhause pflegen. Es gibt einige Berufsgruppen, die Heldenhaftes leisten, derzeit sind es etwa die Mütter und ein paar Väter, die die Balance zwischen Homeschooling und ihrem Job zu bewältigen haben und ihre Contenance behalten. Aber wenn wir jetzt einmal die lebenden Heldinnen und Helden aus und vor lassen, wer fällt Ihnen ein?
Wer ist Ihre Heldin, wer ist Ihr Held?
Ich bin sehr gespannt auf Ihre Antworten und grüße Sie herzlich und mit nicht nachlassender Zuversicht und Lebensfreude.
Bettina Barnay
Buchtipp: Am Südpol, denkt man, ist es heiß | Heidenreich, Elke, Buchholz, Quint | ISBN: 9783446194434