Liebe Freundinnen und Freunde des Montagsforums,
Es ist schon sehr erstaunlich welch unterschiedliche Anmutung die Worte „Heimarbeit“ und „Homeoffice“ haben.
Homeoffice ist modern, wir schlagen uns seit einem Jahr damit herum, da muss nichts mehr dazu geschrieben werden.
Heimarbeit aber impliziert Bilder von Frauen, die am Küchentisch oder im Schlafzimmer Klöppelspitzenstreifen zu Vorhängen zusammennähen, Scharniere zusammenstecken, kleine Steine auf Stoffen fixieren („Stöala“ nennt man das), Juppenleibchen besticken, etc. und das ganze überwiegend in der Nacht. Tagsüber musste der Haushalt gemacht und die Kinder versorgt werden.
Wussten Sie, dass die Vorhänge im Metropolitan Museum in New York von einer Bregenzerwälder Heimarbeiterin gefertigt worden sind? Anna Reichetzeder hieß sie. In der Hofburg in Wien hingen bis vor einigen Jahren auch Vorhänge aus Krumbach.
Danke Thomas Matt für den Impuls, wieder einmal über diese unglaublichen Frauen nachzudenken: die Heimarbeiterinnen der späten Fünfziger- und Sechzigerjahre, die maßgeblich mitgewirkt haben am Wirtschaftswunder und die damals noch, glaubt man den Zeitzeuginnen, sehr anständig bezahlt wurden für ihre Arbeit.
Heimarbeit – wenn ich das überhaupt so nennen darf – ganz anderer Natur haben Renate Erhard und ich am vergangenen Donnerstag sehen, spüren und begreifen dürfen: wir waren im Atelier von Ilse Konrad in Bregenz. Einige von Ihnen werden die Künstlerin kennen, sie ist seit vielen Jahren „eine von uns“, also Abonnentin des Montagsforums.
Frau Konrads Atelier ist gleichzeitig auch ihre Wohnung und ihr Ausstellungsraum. Bis Ende April kann man sie in der Brandgasse in Bregenz besuchen und sich einen Eindruck verschaffen vom Werk der Vielgereisten. Den Skizzenblock hat sie immer dabei. Das Material mit dem sie arbeitet beinhaltet oft Spuren der Natur von der sie sich inspirieren lässt: Wüstensand zum Beispiel. An einer Wand in ihrer Wohnung hängt eine Weltkarte. Stecknadeln markieren die Orte an denen sie schon war. Es sind viele Stecknadeln, besonders in Afrika. Die Bilder, die während oder nach den Reisen auf diesen Kontinent entstanden sind atmen die Farben die man mit dem jeweiligen Land assoziiert.
Die Naturmaterialien: Sand, gemahlene Steine und Erde vermischt sie mit …. Nein, das soll Ihnen Ilse Konrad bitte selber erzählen, wenn Sie sie besuchen. Acryl kommt ihr jedenfalls nicht ins Haus, ihre Farben und Farbmischungen sind einzigartig.
Dass die gebürtige Wienerin begeisterte Vorarlbergerin ist, beweisen ihre Bilder von der Bregenzer Oberstadt oder dem Bodensee. Oder Ihre „Moorbilder“, mit echtem Moor aus Reuthe im Bregenzerwald. Ihre Techniken sind so mannigfaltig wie ihre Materialien. Notenblätter ihres Großvaters hat sie übermalt, das Musikerherz blutet ein bisschen, der Augenmensch freut sich über diese gelungene Symbiose aus Malerei und Musik. Tönende Farben quasi.
Auf einer der Skizzen, mit der sie eine Ägyptenreise auch uns zugänglich macht, steht folgender Satz: „Die LIEBE ist in meinem Herzen wie das Schilfrohr in den ARMEN des Windes.“ Jede einzelne dieser Skizzen würde ich daheim aufhängen, hätte ich noch Platz dafür.
Der Platz in Ilse Konrads Wohnungs-Atelier wird auch knapp, jetzt darf schon die Zimmerdecke als Ausstellungsfläche herhalten. Man legt den Kopf in den Nacken und ist schon wieder in einer anderen Welt. Faszinierend!
Oder die Pinselzeichnungen der Dogon-Tänzer aus Mali… Ja doch, vielleicht hänge ich meine Bilder um und schaffe Platz für eines dieser Bilder. Da sind es die Farben und die Bewegung in den Skizzen, die den Wunsch in mir wecken mindestens eines, lieber eine ganze Serie aufzuhängen.
Aber einstweilen begnüge ich mich mit dem Buch
Ilse F. Konrad
LINIEN
Lebens – Linien
Da sind viele ihrer Bilder drin. Die Qualität des Druckes, der Farben ist hervorragend. Schauen Sie sich die Buchübermalungen an, mit deren Hilfe Ilse Konrad die Erinnerungen an ihre Indien Reise verbildlicht hat, ab Seite 52 finden sie die. Ilse Konrads verstorbener Mann hat einmal gesagt, sie habe ihre Skizzen schneller gemacht als er ein Foto.
Nun ist Geschwindigkeit in der Kunst wahrlich kein Qualitätskriterium, aber das imponiert mir trotzdem.
Wenn Sie das Buch interessiert, oder ein Besuch im Wohnungs-Atelier der Künstlerin, lassen Sie es uns wissen. Wir stellen den Kontakt mit Frau Konrad gerne her.
Das Buch kostet € 20,- ein persönliches Treffen mit Ilse Konrad ist sehr empfehlenswert, sie erzählt so lebhaft und begeistert von ihren Reisen und ihrer Arbeit. Grad jetzt tut das richtig gut.
Renate Erhard und ich haben uns brav an die Maskenpflicht gehalten und auf das gemeinsame Gläsle verzichtet. Aber es war auch sicher nicht unser letzter Besuch in der Brandgasse, denn mit einem Mal kann man die Fülle der Eindrücke gar nicht verarbeiten.
Und jetzt noch ein kleiner Nachsatz: vor dem Besuch bei Ilse Konrad hatte ich den Montagsbrief schon fertig und natürlich ging es darin auch um das, von Thomas Matt angesprochene Lied „Por una cabeza“ und damit um einen Pferdekopf, respektive um Lieder, die man lieber mag solange man den Text nicht versteht. Das kommt halt jetzt ein anderes Mal, Begeisterung teilt sich am besten wenn sie noch ganz frisch ist.
Eine Woche mit erfreulichen Eindrücken und dazu Gesundheit und Optimismus. Das wünsch ich Ihnen!
Herzliche Grüße
Bettina Barnay