30. Mai 2022, 09:30 - 11:30 Uhr

Skepsis und Postmoderne: Die Freunde des Nichtwissens

In der Regel wird der Zustand, dass Meinungen oder Theorien zweifelhaft sind, also dass eine Ansicht nicht auf Wissen basiert, als negativ bewertet. Den Zustand des Nichtwissens gilt es am besten durch Wissenschaft zu überwinden; denn die Wissenschaft beschreibt die Realität, wie sie ist. Doch genau das sehen sowohl antike Skeptiker als auch postmoderne Philosophen der Gegenwart ganz anders: Sie glauben im Gegenteil weder, dass das Erlangen von Wissen über die Welt, in der wir leben, möglich sei, noch, dass das Erlangen eines solchen Wissens erstrebenswert sei. Etwas zu wissen ist aus ihrer Sicht immer mit dem Nachteil verbunden, dass ein glückseliges Leben beziehungsweise eine plurale Gesellschaftsordnung gefährdet wird. Die Einsicht in die Unhaltbarkeit von Wahrheitsansprüchen, ist aus ihrer Sicht daher kein Verlust, sondern ein befreiender Gewinn.

Deshalb treten beide Philosophieströmungen gleichermaßen dafür ein, den Zustand des Nichtwissens als eine anstrebenswerte Utopie eines guten Lebens zu verteidigen. Doch was gut gemeint ist, muss nicht unbedingt zu Gutem führen – das zeigt sich in der Gegenwart immer wieder in erschreckender Weise: Die befreiende und emanzipatorische Absicht hinter skeptischen und postmodernen Philosophien kippt regelrecht ins Gegenteil um, wenn der prinzipielle Zweifel an der Möglichkeit, etwas zu wissen, nur noch für die Meinung des anderen in Anspruch genommen wird. Es ist diese gefährliche Kehrseite skeptischer und postmoderner Philosophien, die Teile des gegenwärtigen gesellschaftlichen Lebens in bedenklicher Weise prägen.