"Doch möcht' ich alles wissen 2.0"
„Doch möcht‘ ich alles wissen 2.0“
Oh, wir hatten hoch oben angesetzt: Musste ein Semester über das Wissen nicht wenigstens mit Goethes Faust übertitelt und von einem Philosophen der Aufklärung eingeleitet werden? „Doch möcht’ ich alles wissen…“ Herrlich roch das nach alten Folianten, ein Pfeifchen schmauchend, den Cognac angewärmt und griffbereit … Und dann, ehe wir uns in den Lehnsessel sinken lassen, der Hammerschlag: „Wissen ist Macht.“ Alles gesagt. So einfach ist das. Also ran an …
… ja, wo ran eigentlich? An die Genugtuung, dass klüger sein als andere schlicht Freude macht? Da hatte die Corona-Pandemie unseren Alltag schon durcheinandergewirbelt und uns allesamt auf höchst bedürftigem Niveau zurückgelassen: Waren wir noch immer wissbegierig? Aber wie! Wissen, wie das alles ausgehen wird, wäre fein gewesen. Oder wer sich schon infiziert hat – auch nicht schlecht! Ob die Wirtschaft das aushält? Wann Kinder und Enkel wieder zu Besuch kommen dürfen? Wie abnormal wird sich die neue Normalität wohl gestalten? Und vor allem: Wie brüchig wird sie sein?
Das alles trieb uns um. Über Nacht hatte das Wissen existentielle Züge angenommen. Der alte Goethe im Regal konnte schon froh sein, wenn er nicht auch desinfiziert wurde im Vorübergehen. Und Francis Bacon? Der streicht über seinen Spitzbart und schaut uns unverwandt an. Herausfordernd, gewissermaßen. Denn seinen Gedanken von der Macht des Wissens hat er 23 Jahre später 1620 noch einmal niedergeschrieben, aber diesmal ausführlicher: „Wissen und Macht des Menschen fallen zusammen, weil Unkenntnis der Ursache über deren Wirkung täuscht.“
Hat uns der kleine Virus nicht ausreichend Zeit in die Hände gespielt, um über die Ursache der Krise nachzudenken? Auf dass wir wieder wirkmächtig werden statt ohnmächtig? Nun denn: Wissen 2.0. Wir gehen’s noch mal an. Sie sind doch dabei, oder?
Thomas Matt