Demokratie, die Herrschaft des Volkes. Für viele eine der größten Errungenschaften der Menschheit, denn was könnte es Besseres geben, als ein System, in dem alle Meinungen gehört werden, alle miteinbezogen werden und durch einen gemeinsamen Konsens die beste Lösung für alle gefunden wird? Hört sich fast schon utopisch an? Das ist es auch, denn die Realität sieht anders aus.

Theoretisch gesehen kann die Demokratie nicht aus sich selbst entstehen, denn um zu entscheiden wie und wer wählt, müsste ja schon gegeben sein, wie und wer wählt. Das heißt, der Ursprung eines demokratischen Systems muss immer in einer nichtdemokratischen Entscheidung liegen, getroffen durch einen oder einige wenige. Es ist paradox und dass das Probleme mit sich bringen kann, fast bringen muss, erkennt man schon am Ursprung der Demokratie im alten Griechenland. Diese war weniger eine Herrschaft des Volkes, und mehr eine Herrschaft der freien Männer, die in der Stadt wohnen. Frauen und Sklaven waren nicht wahlberechtig und auch Bauern konnten es sich oft nicht leisten, ihre Felder zu verlassen, um in der Stadt an der Demokratie teilzunehmen. Die Zeit der Demokratie im antiken Griechenland war geprägt von Kriegen, willkürlichen Entscheidungen und führte mehrmals in eine Oligarchie. Mit Hilfe der Demokratie wurde auch ein ohne Zweifel abscheuliches System legitimiert, die Sklaverei in den USA.

Abgesehen vom theoretischen Paradoxon haben die Zeiten sich natürlich geändert und eine direkte Demokratie ist in heutigen Staaten kaum mehr möglich, schon alleine ihrer schieren Größe wegen. Deshalb gibt es heute Repräsentanten, die gewählt werden und dann die Macht bekommen, Entscheidungen zu treffen. Das hört sich anfangs gar nicht so schlecht an, denn so könnte die Meinung Aller repräsentiert werden und trotzdem relativ schnell Beschlüsse gefasst werden. Aber auch das ist leider mehr Utopie, als Wirklichkeit.

Das Problem daran ist, dass unser heutiges System nicht unbedingt die weisesten und besten Entscheidungsträger auswählt, sondern eine ganz andere Art Mensch anzieht. Nämlich die Menschen, die mit allen Mitteln nach Macht streben und die, die durch ihre (oft zufällig von Geburt an gegebene) finanzielle Macht sich einen Vorteil im Wahlkampf schaffen können. Ob diese Menschen in Führungspositionen wünschenswert sind, ist meiner Meinung nach höchst fraglich, denn wie wahrscheinlich ist es, dass man die erlangte Macht für das Gemeinwohl einsetzt, wenn man zuerst sich selbst über andere stellen muss, um diese Macht überhaupt zu erlangen? Ich behaupte nicht, dass es unmöglich ist, in Führungspositionen zu kommen und dann im Sinne Aller zu handeln, allerdings denke ich, dass unser heutiges System die falsche Art Mensch bevorzugt.

Ein weiteres grundlegendes Problem der Demokratie, das sich auch aus der Größe der heutigen Gemeinschaften ergibt, ist die Unvereinbarkeit der Meinungen in einer Gruppe. Je größer eine Gruppe ist, die versucht einen Konsens zu finden, desto geringer ist die Chance, dass dieser Konsens gefunden wird. Und selbst in einem (nach internationalem Maßstab) kleinen Land wie Österreich ist diese Chance bei vielen Themen so gering, dass man meiner Meinung nach davon ausgehen kann, dass nie ein vollkommener Konsens gefunden werden kann. Man muss dabei nur an jegliche politische Frage denken, die selbst im Kreis der Familie zu heftigen Diskussionen führen kann.
Selbst wenn all diese Probleme beseitigt wären, würde sich immer noch die Frage stellen, ob es denn überhaupt wünschenswert und zielführend ist, wenn alle mitbestimmen können. Kann denn tatsächlich die Mehrheit die besten Entscheidungen treffen? Trifft die Mehrheit Entscheidungen im Sinne der Allgemeinheit, oder werden Minderheiten unterdrückt, weil sie weniger Macht haben? In der Realität haben viele Wähler zumindest das Gefühl, nicht nur für sich selbst zu wählen und geben an, auch an ihre Mitmenschen zu denken. Aber sind wir dazu überhaupt in der Lage, etwas für andere zu entscheiden? Dass Wahlentscheidungen zwar oft mit bestem Gewissen, aber auch häufig ohne das notwendige Wissen getroffen werden, wird durch viele Studien und Befragungen gestützt, wie auch Jason Brennan in seinem Buch „Against Democracy“ aufzeigt. Das meiner Meinung nach einprägsamste Beispiel nicht ausreichend informierter Wähler ist das Brexit-Referendum. Nach dem Tag, an dem mit einer knappen Mehrheit entschieden worden war, dass Großbritannien aus der EU austreten sollte, war in Großbritannien die meistgesuchte Frage bei Google: “Was ist die EU?“.

Inwiefern ist es also sinnvoll, alle über etwas bestimmen zu lassen, egal wie qualifiziert sie sind oder ob sie überhaupt das nötige Wissen dazu besitzen, eine fundierte Entscheidung zu treffen? Meiner Meinung nach ist das definitiv zu hinterfragen.

Aber was dann? Was, wenn nicht Demokratie? Jason Brennan schlägt eine Epistokratie vor, eine Herrschaft der Philosophen und Wissenden, um besser „richtige“ Entscheidungen treffen zu können. Andere würden vorschlagen, nur einen Menschen an die Spitze zu stellen, um unter anderem Sicherheit und Stabilität zu garantieren. Wieder andere würden sagen, dass Anarchie die Lösung ist, um absolute Freiheit zu gewähren.

Aber all diese Formen des Zusammenlebens haben meiner Meinung nach auch schwerwiegende Fehler und Probleme. Die Epistokratie hört sich zwar in der Theorie wie die Lösung für alles und eigentlich ganz sinnvoll an, denn wieso sollte man alle wählen lassen und nicht nur die, die sich tatsächlich auskennen? In der Realität scheitert dieser Vorschlag aber an ein paar einfachen Fragen: Wer kennt sich denn aus? Wer entscheidet, wer sich auskennt? Ist es wichtiger, etwas über Philosophie oder über Wirtschaft zu wissen? Und wie würde man das testen? Wahrscheinlich hätten viele Menschen eine Antwort auf all diese Fragen, allerdings wären sie alle subjektiv und deswegen verschieden. Einen Konsens zu finden wäre also unmöglich.

Dass eine Alleinherrschaft Beständigkeit und Sicherheit schaffen kann, ist wahrscheinlich ihre größte Stärke und für viele auch der Grund, warum diese Herrschaftsform attraktiv erscheint. Allerdings muss man dafür das Risiko eingehen, das Wohlergehen vieler Millionen Menschen in die Hand einer einzigen Person zu legen. Danach bleibt einem nichts anderes mehr übrig, als zu hoffen, dass diese Person ihre Macht verantwortungsvoll nutzt. Das scheint mir extrem gefährlich und gewagt. Natürlich kann durch einen guten Anführer auch viel Gutes entstehen, die möglichen Folgen eines schlechten Anführers sind meiner Meinung nach allerdings viel zu schwerwiegend, um vernachlässigt zu werden.

Auch die absolute Freiheit in der Anarchie scheint für viele verlockend, allerdings kann ein Zusammenleben von so vielen Menschen, wie wir heute sind, und auf so begrenztem Raum, wie wir ihn zur Verfügung haben, nur mit einigen festgelegten Regeln funktionieren. Diese Regeln müssten dann durch irgendeine Form der Autorität durchgesetzt werden und es wäre keine Anarchie mehr. Ein Zusammenleben ohne feste Regeln oder Autorität kann zwar in kleinen Gemeinschaften funktionieren und auch sinnvoll sein, als Staatsform allerdings ist die Anarchie vollkommen ungeeignet. Dass sich nämlich alle Menschen eines Staates darauf einigen, friedlich und gemeinschaftlich zusammen zu leben (ohne irgendeine Form von Autorität), hört sich für mich höchst unwahrscheinlich an.

Meiner Meinung nach hat unser jetziges demokratisches System zwar schwerwiegende Fehler, allerdings bin ich überzeugt davon, dass diese Fehler sich mit der Zeit und mit einigem Engagement ausbessern lassen. Zum Beispiel könnte schon alleine durch Aufklärung und Bildung viel gegen nicht ausreichend informierte Wähler getan werden. Oder man könnte das System zur Auswahl von Repräsentanten überarbeiten, um die oben genannten Probleme zu beseitigen.

Im Vergleich zu den beschriebenen Alternativen denke ich, dass man die Demokratie den anderen vorziehen sollte, ganz einfach, weil sie das kleinere Übel ist. Oder wie Winston Churchill sagte: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“

Jonas Schmälzle
BG Blumenstraße, 8D