Liebe Freundinnen und Freunde des Montagsforums,
es beginnt ja schon damit, dass sich das Computerprogramm über mich erhebt und den Einser vom 1. März auf diesem Blatt einrücken will. Das Programm geht davon aus, dass auf
- unweigerlich
- folgen wird.
Was ja grundsätzlich oft richtig ist.
Im konkreten Fall aber folgt auf 1. einfach nur März und es wäre extrem angenehm, wenn mein Computer tun würde was ich will und ja ich weiß, es gibt Computergrundkurse.
Ach was waren das noch für Zeiten, als wir auf der Schreibmaschine vollkommen ungehindert 1. März schreiben konnten. Und dann – RATSCH – in die nächste Zeile und los gings.
Mir wird allerdings heute noch übel, wenn ich daran denke mit welchen Worten mir mein Professor in Salzburg die Diplomarbeit am Ende meines Studiums zurückgegeben hat: „An sich nicht schlecht, aber leider haben Sie das Wort Rhythmus konsequent falsch geschrieben.“
Besagtes Wort kam auf jeder Seite mindestens einmal vor und wurde damals noch mit nur einem h geschrieben. Ich hatte deren 2 eingebaut. Eine Visionärin war ich, aber das hat mir 1986 herzlich wenig genutzt. Weitere zehn Jahre mussten vergehen, bis erkannt wurde, dass Rhythmus einfach besser ausschaut als Rythmus. Sie erinnern sich? 1996: Rechtschreibreform, wir kommen später noch einmal auf das Thema zurück.
Mit dem Computer ist die Verbesserung heute kein Problem mehr, da lässt sich ein falsches Wort mit ein paar Mausklicks einfach und schnell austauschen, aber der hatte damals noch nicht Eingang in mein Leben gefunden. Blöd gelaufen, alles auf Anfang: weißes Blatt, Kohlepapier, weißes Blatt, den Packen ordentlich einspannen und jetzt bloß keinen Fehler mehr machen.
Es gibt einen Komponisten, der ein Musikstück geschrieben hat, das mit den akustischen Eigenschaften der alten Schreibmaschinen spielt. Im Oktober 1950 hat er das getan. Wer will kann dies als Frage zum Tage nehmen, wer nicht will…alles gut.
Oder wie Federico Fellini gesagt hätte: tutto bene.
Folgen wir ihm doch, angeregt von Thomas Matts Frage vom vergangenen Montag, kurz auf seinem Weg.
Versinken wir für einen Moment in den Augen seiner Frau Giulietta Masina.
Wünschen wir uns den Zampanò herbei, der die Corona-Ketten sprengt, die unseren Brustkorb umschließen.
Der Zampanò, auch wenn wir ihn heute meist ohne den Accent über dem o schreiben, hat es vom Film „La Strada“ rausgeschafft in die Sprachwelt. Kaum einer, der heute noch Anthony Quinn vor Augen hat, wenn er von einem Zampano spricht. Schade eigentlich. Man würde den Begriff weniger inflationär verwenden: „Bernie Ecclestone der große Zampano der Formel 1!“……….pfffff….
Ecclestone gegen Anthony Quinn? Chancenlos in jeder Hinsicht, Ecclestone hat nur mehr Geld als Quinn je hatte, Quinn dafür mehr Kinder. Also, wer ist da der größere Zampanò?
Der frühere Maschinenbaustudent Freddy Breck hat im Jahr 1975 versucht, seinen eigenen Zampano berühmt zu machen. Er hat das Genre Schlager dazu verwendet und singt:
„Denn wohin der Wind uns weht,
und wohin die Reise geht,
weiß allein der große Zampano,
denn er bestimmt das sowieso…“
Keine Angst, das konnte ich nicht auswendig, youtube hat es mir vorgespielt, samt klatschendem Publikum im Hintergrund. Die Versuchung, den Texter dieses Schlagers posthum zu verklagen ist groß. Wer „sowieso“ als Reimwort für „Zampano“ verwendet, sollte zwei Wochen lang Ameisenkeulen auf Schnittlauchsalat essen müssen. Ausschließlich. Danke Thomas Matt für diesen Menüvorschlag. Loriot hätte seine helle Freude daran gehabt und sie als Amuse gueule vor seinem Nilpferd in Burgunder gereicht.
Aber ich soll ja nicht vom Essen schreiben in der Fastenzeit, also gut:
Dann schauen wir uns noch einmal den Original-Zampanò an. Jene Szene, in der er versucht Gelsomina beizubringen, wie sie ihn bei seinen Auftritten anzukündigen hat: Trommelwirbel und dann: „É arrivato Zampanò!“. Gelsomina schafft das nicht. Die Tatsache, dass ihr der große starke Mann mit einer Rute auf die nackten Beine schlägt, trägt nicht dazu bei, dass sie besser wird. Hauen möchte man den großen Zampanò! Wie kann er diesem zierlichen, hinreißenden Wesen wehtun?
Trotzdem: „La Strada“ anschauen, in der Originalfassung. Es ist völlig wurscht, wenn man nicht alles, oder wenig oder gar nichts versteht. Das tut man in Opern auch nicht und trotzdem…. Die Musik zum Film ist übrigens von Nino Rota.
Ein Blick zurück jetzt noch, auf den 1. März 2020. Da habe ich abends Dr. Parzinger vom Zug abgeholt und nach seinem Auftritt bei uns, sein Buch „Abenteuer Archäologie“ an viele meiner Freunde verschenkt. Wir haben noch ein paar Exemplare seines Vortrags auf CD. Wenn Sie interessiert sind: ein kurzes Mail genügt.
In wenigen Wochen können wir Dr. Parzingers neues Werk in den Händen halten: „Verdammt und vernichtet“. Da geht´s um die Zerstörung von Kulturschätzen. Nicht nur im 21. Jahrhundert. Mit diesem Thema steht er schon auf unserer Liste derer, die wir dann…..wenn wir wieder….
Und wenn Sie noch einen Buchtipp für jetzt gleich brauchen: „Die Schlange im Wolfspelz“ von Michael Maar. Maar setzt sich mit Schreibstilen, Metaphern, Syntax, Sprachrhythmen und, und, und großer Autor*innen auseinander. Klingt staubtrocken, ist es mitnichten.
Ist der Mann kritisch! Aber so witzig kritisch und was er alles gelesen hat und wie! Also mit welcher Konzentration und welchen Schlussfolgerungen. Maar hängt übrigens offensichtlich der alten Rechtschreibung nach, er schreibt „daß“ noch mit scharfem s. Das Rechtschreibprogramm zeichnet mir eine rote Welle unter das „daß“, aber Maar darf das.
Übrigens wird mein SUB nicht kleiner. Nein, nicht der SUV, so einen besitze ich nicht. Der SUB ist der „Stapel ungelesener Bücher“. Tsundoku auf Japanisch. Die Autor*innen haben die vergangenen Monate offensichtlich gut genutzt. Das ist ein sehr beruhigendes Gefühl, mit dem ich mich für heute von Ihnen verabschiede.
Bleiben Sie gesund, zuversichtlich und wissbegierig.
Sehr herzliche Grüße
Bettina Barnay