Liebe Freundinnen und Freunde des Montagsforums
«Das ist die stillste Zeit im Jahr – immer wenn es Weihnacht wird.»
So beginnt ein Weihnachtslied, das mir aus meiner Zeit im Gymnasium in Erinnerung geblieben ist. Wie oft haben wir es mit unserem Schulchor gesungen, bei verschiedenen Weihnachtsfeiern, zu denen unser Chor eingeladen war. Und ich erinnere mich auch daran, dass wir fanden, dass das Lied nicht mehr so richtig in unsere Zeit passt – schon damals. Denn so richtig still ist die Vorweihnachtszeit ja schon seit Jahrzehnten nicht mehr.
Und in diesem Jahr?
2020 war als Ganzes ein unerwartet stilles Jahr für viele von uns und es mag bei manchem die Frage aufkommen, ob es mit der Stille nun denn nicht langsam genug sei. Zu Recht, ist man geneigt zu sagen.
Aber da kommt mir eine andere Erinnerung ins Bewusstsein, jene an einen außergewöhnlichen Menschen, der die Stille geliebt hat und von dem ich in den zehn Jahren, die ich mit ihm in meiner Luzerner Zeit zusammenarbeiten durfte, vieles über die Schönheit und Bedeutung der Stille gelernt habe: Der Dirigent Claudio Abbado.
Für ihn war die Stille Ort der Inspiration, er brauchte sie um leben und um arbeiten zu können. Über viele Jahre hinweg verbrachte Abbado seine Sommer im Engadiner Fextal, einem autofreien Ort auf 2000 m Seehöhe, wo einzig der kleine Bach Fedacia, der das Tal durchzieht, eine gewisse Geräuschkulisse bildet. In stundenlangen Wanderungen, oft gemeinsam mit seinem Freund, dem Schauspieler Bruno Ganz, nahm er die Stille und die Schönheit der Landschaft in sich auf, um sie dann als Quelle der Kraft zu nutzen, wenn er sich zum Studium an die Partituren jener Werke setzte, die einige Wochen später beim Lucerne Festival auf dem Programm stehen würden. Manchmal konnte es geschehen, dass es mitten im Sommer zu schneien begann. Dann ging Claudio – so durften wir ihn alle nennen – auf den Balkon um den Schnee fallen zu hören. «Ich liebe den Klang des Schnees….» – so seine Worte.
Unvergessen sind auch die nicht enden wollenden stillen Momente am Ende seiner Konzerte. Wenn es still ist am Ende, dann haben die Menschen zugehört – so sein Credo. Und oft dauerte diese Stille gar Minuten, bevor dann irgendjemand im Publikum es nicht mehr aushielt und der Applaus einsetzte.
Im Fextal hat Claudio Abbado auch seine letzte Ruhe gefunden, auf dem kleinen Friedhof der Bergkirche, die der Hl. Margarita geweiht ist. Eine bescheidene Natursteinplatte mit seinem Namen verschließt das Urnengrab, und immer liegen Blumen oder kleine Steine dort, als letzter Gruß von Menschen, die diesen außergewöhnlichen Dirigenten verehrt und geliebt haben.
Wolfgang Schreiber, von 1978 bis 2020 Musikredakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung, hat Claudio Abbado über Jahrzehnte begleitet und im Jahr 2019 eine beeindruckende Biografie über ihn herausgebracht, die ich Ihnen für die Weihnachtstage ans Herz legen möchte.
Still – und damit komme ich zu jener Information, auf die Sie heute wohl alle gespannt warten – still bleibt es auch weiterhin im Montagsforum. Zwar liegt ein fertiges Programm in der Schublade – und nicht nur eines -, aber ein realistischer Blick auf die kommenden Monate lässt eine Wiederaufnahme unseres Vorlesungsbetriebes – zumindest vorerst – nicht zu.
Natürlich wird es, nach einer kurzen Weihnachtspause, weiterhin unsere Montagsimpulse geben. Und sollte sich wider Erwarten im Laufe des Frühjahrs die Situation so entspannen, dass wir das Montagsforum wieder im normalen Rahmen abhalten können sollten, dann haben wir bereits einiges auf Lager, was wir Ihnen dann auch ganz kurzfristig anbieten können und werden. Versprochen!
Lassen Sie mich schließen mit einem Dank:
Einem Dank an Sie für Ihr ungebrochenes Interesse, für unzählige aufmunternde Emails und Kommentare und auch für die finanzielle Unterstützung, die Sie uns zukommen haben lassen.
Mit einem Dank an unsere Sponsoren und Förderer, die uns in dieser herausfordernden Zeit treu geblieben sind.
Und mit einem ganz besonderen Dank an unser Team, an Bettina Barnay und Renate Erhard, die sich nicht entmutigen haben lassen und unermüdlich die Stellung gehalten haben, nochmals an Bettina Barnay und an Thomas Matt für ihre wunderbaren, bereichernden und unterhaltsamen Montagsimpulse, und an die Kolleginnen und Kollegen vom Vorstand, die die undankbare Aufgabe wahrnehmen mussten, unpopuläre Entscheidungen zu fällen, die uns allen nicht leichtgefallen sind.
So wünsche ich Ihnen allen im Namen unseres gesamten Teams ein frohes Weihnachtsfest und Glück, Gesundheit und Zuversicht für das Neue Jahr – die werden wir brauchen!
Herzlich, Ihre
Christine Rhomberg
Buchtipp:
Wolfgang Schreiber «Claudio Abbado. Der stille Revolutionär.» Erschienen im Verlag C.H. Beck, 2019.
CD-Empfehlung:
Claudio Abbado, Lucerne Festival Orchestra – Das letzte Konzert – Anton Bruckner, Sinfonie No. 9
Erschienen bei der Deutschen Grammophon.